• Offizieller Beitrag

    Kann es sein, dass wir uns gerade vom Thema des Threads wegbewegen? :D Egal. Das "menschliche Miteinander" im Allgemeinen ist vielleicht der Kernpunkt des Ganzen, die Religionen als solche sollten im Grunde nur als eine metaphorische Legislative und geistige Legisla- bzw. Exekutive dafür gesehen werden.

    Das Miteinander muss auf dem Land, egal ob ich Bayern oder sonst wo, traditionell stärker ausgeprägt sein. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es wohl oft genug Situationen, in denen der Eine für den Anderen einspringen musste, sei es aus gesundheitlichen Gründen - die Kuh muss nun mal gemolken werden - oder aus organisatorischen - da wird halt die Ernte gemeinsam eingebracht. Das sind Grundwerte, die in der Stadt von weit geringerem Wert sind, schon immer waren, auch, weil sie im urbanen Zusammenleben nie so wichtig sein mussten.

    Dass Kinder solche Werte, auch wen sie nur noch rudimentär gelebt werden müssen, aber doch im Fall der Fälle deutlich hervortreten, noch mitbekommen, halte ich für ganz natürlich und angesichts der allgemeinen Erkaltung des menschlichen Miteinanders für mehr als wünschenswert. Ob das ganze nun aus religiöser Nächstenliebe oder aus einem sonstigen moralischen Selbstverständnis heraus geschieht ist sekundär.

    Hier nun nach einmal ein Gedanke zum eigentlichen Thema: durch das Unverständnis der natürlichen Geschehnisse in der Welt, in der sie lebten, mussten die Urmenschen zwangsläufig den Glauben an übernatürliche Kräfte entwickeln. Logische Konsequenz. Daraus wiederum entwickelten sich die im Laufe der Menschheit existierenden tausenden Religionen und Glaubensrichtungen. Auch logische Konsequenz.

    Der Glaube an übernatürliche Kräfte begleitet die Menschheitsentwicklung von Anfang an. Und weder genetisch noch psychisch unterscheiden wir uns in irgendwas von unseren Vorfahren, auch wenn wir das gerne hätten (man muss sich vergegenwärtigen: Zwischen der momentan in der Literatur favorisieren "mitochondrialen Eva" und uns liegen nur etwa 175.000 Jahre, das sind knapp 9000 Generationen, aus dem evolutionären Blickwinkel ist das nichts). Was uns unterscheidet ist in enormer Zuwachs an Wissen in allen nur denkbaren Bereichen. Dass der Glaube an eine höhere Instanz angesichts dieser Entwicklungsgeschichte einen moralischen Halt bedeuten KANN, ist auch nur logisch. Was man allerdings schön langsam mal von der Menschheit erwarten könnte ist, dass sie sich ein bisschen von dem alttestamentlichen "Auge um Auge" löst und mehr zu neutestamentlichen Praxen wie beispielsweise der Nächstenliebe tendiert. Das wären wir unserem Wissenszuwachs schon schuldig.

    Im Übrigen halte ich die Entwicklung vom AT zum NT für exemplarisch für die potentielle Entwicklung der Menschheit weg vom gewalttätigen Affen zum gemeinschaftsliebenden "Gotteswesen".

    Hmmm, war das jetzt zu diffus und durcheinander?

    • Offizieller Beitrag

    [...]

    Im Übrigen halte ich die Entwicklung vom AT zum NT für exemplarisch für die potentielle Entwicklung der Menschheit weg vom gewalttätigen Affen zum gemeinschaftsliebenden "Gotteswesen".

    Hmmm, war das jetzt zu diffus und durcheinander?

    Diese potentielle Entwicklung- weg vom Schimpansen, sehe ich auch.
    Das Potential befindet sich im Kampf...
    Eine der elementaren Themen der Religionen, gell?

    Ich glaube an das Gute im Menschen und dieser Glaube ist es wert dafür zu kämpfen.
    Manchmal auch mit sich selbst.

    Ich freue mich immer, wenn Du mal ansatzweise 'diffus' wirst :D

  • "potentiell" ... tja...
    Ich persönlich habe die Hoffnung für den Planeten Erde aufgegeben.
    In krassem Widerspruch steht das irgendwie (wie?) zu meinem Erleuchtungserlebnis und der message daraus, alles ist/wird gut, wir sind schon alle gerettet (als Seelen).
    Und mit "Kampf" wäre ich sehr zurückhaltend - es gibt genug Säbelrasseln und "religiös" motivierte Feindschaft zwischen den Kulturkreisen.
    "Manchmal auch mit sich selbst" ? Ich sage mal: NUR mit sich selbst - im Idealfall.

    Gott ist halt ziemlich verschwenderisch. Tausende und abertausende von Planeten, auf denen wahrscheinlich ähnliches abgeht wie bei uns. Das "Prinzip Schildkröte": Aus tausenden von Eiern schlüpfen die Jungen, und schon beginnt das Drama: Bis sie endlich das rettende Wasser erreichen, aus ihren Schalen am Strand geschlüpft, ist ein Großteil bereits dezimiert von Freßfeinden. Und bis ein Tier erwachsen wird, wird wiederum ein Großteil seiner Geschwister umgekommen sein.

    Magie ist, wenn man trotzdem lebt.

    • Offizieller Beitrag

    Ich möchte diesen Thread, wenn auch vielleicht nur für kurz, aus der Versenkung holen.
    Kürzlich bin ich über einen Text gestolpert, der mir sehr gefallen hat. Und gerade vor dem Hintergrund der beiden jüngsten Anschläge in El Paso und Dayton, nach denen den Betroffenen wieder ach so toll mit Gebeten und Gedanken geholfen wird ...

    Frei übersetzt aus dem Englischen, in das es davor vermutlich aus dem Deutschen übertragen worden ist:


    Warum schuf Gott Atheisten?

    Eine bekannte Geschichte der chassidischen Literatur behandelt diese Frage.
    Der Meister lehrt den Schüler, dass Gott alles in der Welt geschaffen hat um wertgeschätzt zu werden, da alles existiert, um uns etwas zu lehren.

    Ein kluger Schüler fragt: "Was können wir von den Atheisten lernen? Warum hat Gott sie geschaffen?"

    Der Meister antwortet: "Gott hat Atheisten gemacht um uns die wichtigste Lektion von allen beizubringen - die Lektion von der wahren Barmherzigkeit.
    Wenn ein Atheist in der Nächstenliebe handelt, Kranke besucht, Bedürftigen hilft, dann nicht aufgrund religiöser Lehren. Er glaubt an keinen Gott, der dies von ihm verlangt. Tatsächlich glaubt er an gar keinen Gott, so dass diese Handlungen auf seiner eigenen inneren Moral gründen. Und siehe die Güte, die er anderen zuteil werden lässt alleine weil er fühlt, dass es richtig so ist."

    Der Meister fährt fort: "Deshalb, wenn jemand Dich um Hilfe bittet, so sage nicht 'Ich werde für Dich beten - Gott wird Dir beistehen.', sondern werde zum Atheisten, stelle Dir vor, es gäbe keinen Gott der hilft und sage statt dessen: 'Ich werde Dir helfen."

    aus: Martin Buber, "Tales of the Hasidim" - "Die Erzählungen der Chassidim" 1949

    Die schwerwiegendste und gefährlichste aller Resistenzbildungen ist immer noch die Faktenresistenz.

    Mia Paulsen, Uni München