• Offizieller Beitrag

    Leitkultur: Wir sind viel zu zurückhaltend - Gastbeitrag - SPIEGEL ONLINE

    Ein interessanter Text.

    Das Grundgesetz als Leitkultur. Quasi die Grundlage, nach der sich alle kulturen, einheimisch oder fremd, halten müssen.
    Ja das Grundgesetz hat christliche Werte. Aber sind die wirklich christlich?
    Der Islam kennt doch auch Nächstenliebe.
    Gut...man hat aber die christliche Nächstenliebe einfließen lassen.

    In der Autor sagt dort auch, dass Demokratie nichts natürliches ist, sondern eine Errungenschaft, die auch wieder vergehen kann. Richtig.
    Es sind aber vorwiegend Parteien mit dem C, die sich eben nicht christlich verhalten. Es geht ihnen nicht um Nächstenliebe, sondern um die nächste Wahl.

    Ist die Forderung nach einer leitenden Kultur, eine Kultur die andere anführt, nicht auch unchristlich. Die deutsche Kultur (wie auch immer die aussieht), ist besser als alles andere. Das ist es was die Diskussion um die Leitkultur meiner Meinung nach darstellt. Von mir aus könnten sich ein DeMeziere oder eine Klöckner mit Bernd Höcke hinstellen und die erste Strophe singen. Diese Pseudo-WestenGehtUnter-WirSindDieBesteKultur-Debatte.... hat was von Überheblichkeit, falscher Stolz.....also im weitesten Sinne ist das eine Todsünde bei den Katholiken. Gut, dass De Meziere Protestant ist!

    Andere Parteien...naja....die SPD spart bei den Ärmsten und macht sie noch ärmer. Dann so Sprüche wie "Rasieren, dann klappt es mit der Hobsuche" ...oh je....wo ist die Inquisition, wenn man eine braucht? ;)

    Aber genug von den Parteien.
    Ich finde die Idee gut, zu sagen, wir wollen viele Kulturen haben. Und sie sollen nebeneinander existieren können. Gemeinsame regeln sind dafür nötig und richtig. Von daher haben die C-Parteien, ja die richtige Absicht. Nur dass sie beim Start gleich rechts abbiegen müssen...

    Aber gemeinsame Regeln sollten eben auch gemeinsam erarbeitet werden. Das vergisst der Autor. Das Grundgesetz ist in einer rein christlichen Umgebung entstanden.
    Vielleicht sollte man sich überlegen, ob es ergänzt werden sollte...

    GG-Änderungen....da komme ich doch wieder zurück zur Politik...Karlsruhe hat häufig Gesetze kassiert.
    Angenommen, dass GG wäre unsere Leitkultur, dann müsste man rund 700 Leute aus unserem Land jagen, weil sie sich an diese Leitkutlur nicht halten.
    Und was sagt das über die Leute aus, die eine Leitkultur fordern? Sie haben vergessen oder, schlimmer noch, ignorieren diese bestehende und christliche Leitkultur.

  • Ich mag den Begriff nicht. Und ich denke, das Wort "Leitkultur" macht deshalb so viel Ärger, weil er zum einen in eine offene Gesellschaft nicht hineinpasst. Und zum anderen finde ich persönlich, dass es sehr nach Adenauerschem Mief und der Überzeugung klingt, unsere Kultur (also "wir") sei doch die bessere... :( Es klingt mir zu sehr nach Abwertung anderer Kulturen. Das alles habe ich als Kind der 50er und 60er Jahre hinter mir, und glaubte es seit 1968 überwunden. Und jetzt kommt dieser Mief wieder hoch...

    Meine Grosseltern kommen ja aus einem anderen Kulturkreis (Russland). Sie kamen 1919 nach Deutschland, pflegten nach wie vor ihre Kultur, sangen ihre Lieder, feierten ihre Feste. Und dennoch gliederten sie sich hier auch ein. Nicht, weil irgendeine Kultur hier "leitete", sondern weil es dem sozialen Miteinander diente und es auch notwendig war, wenn sie "dabei sein" wollten. Ich selbst bin im Ruhrpott aufgewachsen, in einer Arbeitersiedlung grossgeworden. Dort gab es viele "Kulturen". Ich wuchs mit Russen, Polen, Rumänen, Italienern, Spaniern, Griechen und mit den ersten Türken auf, die als "Gastarbeiter" ins Ruhrgebiet kamen. Aber natürlich lebten all diese Menschen ihre Kultur, allerdings angepasst an ihre soziale Umwelt, in der sie nun einmal lebten. Sie feierten ihre Feste, wir die unseren, und manchmal feierten wir gemeinsam. Selbstverständlich respektierten wir einander, das ging auch gar nicht anders, denn die Bergleute waren hunderte Meter unter Tage darauf angewiesen, dass man solidarisch war, den anderen respektierte und ihm nicht "in die Kandare fährt". Aber niemand wäre auf die Idee gekommen, "leiten" zu wollen. Weder über noch unter Tage.

    Obwohl ich heute durch und durch deutsch bin, ist die deutsche Kultur nicht meine "Leitkultur", sie ist meine "Mutterkultur", so wie die russische Kultur die Mutterkultur
    meiner Grosseltern war. Meine Mutter stand immer dazwischen. In meine Art zu denken und zu leben ist vieles aus anderen Kulturen eingegangen, natürlich manches Russische, aber auch manches Polnische, Türkische, all das Schöne und Spannende, das ich in fast 20 Jahren Leben in dieser "multikulturellen Arbeitersiedlung" erleben und erfahren durfte.

    Es gibt in Deutschland unverzichtbare soziale Vorgaben. Ohne Frage. Es gibt unverzichtbare Akzeptanzen von sozialen und kulturellen Abläufen, Ist-Zuständen, Traditionen, und auch Notwendigkeiten. Aber mit dem Begriff "Leitkultur" kann ich nichts anfangen, weil er andere(s) ausschliesst, ausgrenzt. Und das brauchen wir in Zeiten wie diesen nicht auch noch...

    Das hat übrigens NICHTS damit zu tun, dass man seine Kultur nicht pflegen und mögen soll. Ich finde die deutsche Kultur wunderbar, ihre Literatur, ihre Musik, ihre Kunst, aber auch ihre schönen alten Traditionen, sofern diese nicht anderen aufgezwungen werden. Ich lebe z.B. auch deshalb so gerne in Bayern, weil ich deren Traditionen sehr mag, aber niemals auf die Idee käme, sie als meine zu empfinden, oder mich von irgendjemandem dazu "leiten" zu lassen, sie anzunehmen. Ich erfreue mich an manchen dörflichen Eigenarten und Traditionen, geniesse auch, sie mir anzusehen, aber es wäre mir peinlich, sie als "meine" zu leben.

    Wenn Deutsche ihre eigene Kultur für sich selbst als "Leitweg" nehmen, ist das wunderbar! Wenn sie das aber von anderen verlangen, gehe ich sofort auf Distanz.

    Ich bin mir allerdings auch im Klaren darüber, dass es keine Parallelwelten geben darf. Das gab es damals im Ruhrgebiet übrigens auch nicht! Die türkischen, polnischen usw. Frauen lernten als erstes, na, was...? Deutsch! Das war selbstverständlich, es wäre auch gar nicht anders gegangen, denn es gab keine eigenständigen Viertel für Türken, für Italiener, für xyz. Wir mussten uns "zusammenraufen", und nach einigen Missverständnissen, gemeinsamen Besäufnissen und gemeinsamen durchgetanzten Feiertagsnächten war das auch kein Problem mehr.

    Es ist nicht die "andere Kultur", die uns aktuell bedroht, so dass man meint, ihr eine "Leitkultur" entgegensetzen zu müssen. Es sind die sozialen Absonderlichkeiten der Ghettos, die deutsche Behörden selbst (!) haben entstehen lassen, die das Problem von Jahrzehnt zu Jahrzehnt vergrösserten. In einer Stadt, in der ich lange gelebt habe, wurde in den 90er Jahren, als immer mehr Flüchtlinge aus Osteuropa kamen, ganze Wohnblöcke angemietet oder von der Stadt gekauft, wo diese Menschen wohnen konnten. Wundert es da jemanden, dass diese Menschen kaum motiviert waren, deutsch zu lernen? Sie hatten ja "ihr Viertel", es siedelten sich Geschäfte an, irgendwann wurde auch ein Jugendtreff eingerichtet, alles für die lieben Mitmenschen aus Osteuropa. Ich glaube, bis heute spricht dort kaum jemand deutsch, und zwar nicht, weil die nicht wollen, sondern weil ihre soziale Umgebung sie nicht sanft dazu zwingt, es zu tun. Und Schuld daran sind Behörden, die diese Menschen nicht über die ganze Stadt verteilen, sondern an ganz bestimmten Wohnblöcken (meist weit weg von den "besseren" Vierteln) sammeln. Da hilft auch keine Leitkultur, das geht denen am Poppes ab!

    Jetzt habe ich viel zu viel geschrieben...

    P.

    • Offizieller Beitrag

    Mich stört ungemein diese starre Verküpfung von Glaube und Kultur.

    Prägen Menschen die Glaubensinhalte
    oder die Glaubensinhalte den Menschen?

    (Leit-) Kultur wird immerzu und 'beidseitig' aus Glaubenswerten abgeleitet.


    Ohne diesen (Hierzulande nur) schwelenden Glaubenskonflikt,
    wäre m.E. ein kultureller Konsens wesentlich einfacher und stabiler.

    Der Dissens bekommt durch den beidseitig vorgeschobenen Glauben
    permanent Nahrung und schaukelt sich leider hoch und höher.


    Ja...das Grundgestz ist eine feine klare Sache...wäre es... :(