Ehrlich gesagt: nein. Nicht die SPD hat ihre Klientel abgeschafft sondern die Globalisierung und der Fortschritt. Und, snork, nimm es mir nicht übel, aber was du schreibst, grenzt zumindest etwas an Verschwörungstheorien. Im Gegensatz zur gefühlten Wahrheit ist die Schere zwischen Arm und Reich auch nicht seit 50 Jahren größer geworden - insbesondere nicht beim Nettoeinkommen. Was auseinandergeht, sind eher die Vermögen, die früher regelmäßig kriegsresetted wurden, was aber nicht besonders erstrebenswert ist. Und an einer praktikablen grundgesetzkompatiblen Variante der Erbschaftssteuer arbeitet man seit Jahren.
"Globalisierung" und "Fortschritt" (?) sind in der Wirtschaft(spolitik) keine Naturgesetze, sondern von den politisch und wirtschaftlich Handelnden gewollt und gesteuert. Und wenn ich mit das Ergebnis dieses Steuerns so angucke, handelt es sich um ein Ergebnis, welches keinesfalls den Normalverdienern nutzt. Dafür aber den Großverdienern und Vermögenden um so mehr.
Und Wirtschaftspolitik fällt nicht vom Baum. Sie folgt stattdessen wirtschaftspolitischen Überzeugungen (man kann's auch Ideologien nennen) - in diesem Fall der Ideologie des Neoliberalismus. Dieser Ideologie hat sich auch - spätestens seit Schröder - die SPD verschrieben: Steuersenkungen für Reiche und Großverdiener, Steuerfreiheit für Unternehmensverkäufe, durch Hartz IV erzwungenes Lohndumping, Privatisierung der Sozial- und Daseinsfürsorge (Krankenhäuser, Altenheime, Kindergärten und Schulen, Wohnraum, Energieversorgung, Post- und Kommunikation, Eisenbahn, ...), Deregulierung der Finanzmärkte, ... der Markt wird's schon richten!
Das tut "der Markt" auch: er richtet möglichst viele Lebensbereiche darauf aus, Gewinne zu erwirtschaften, die nur wenigen zugute kommen: den allemal schon Reichen. Und Gewinne erwirtschafte man, indem man Preise erhöht und/oder Kosten senkt. Genau so so sehen die benannten Bereiche der Sozial- und Daseinsfürsorge inzwischen auch aus.
Und die SPD hat nicht nur mitgemacht, sondern sie stand federführend an der Spitze der neoliberalen Beseitigung der sozialen Marktwirtschaft. Ich bin alles andere, als ein Freund der CDU - aber ein Kohl hätte sich nicht einmal ansatzweise gewagt, all jene Maßnahmen auch nur "anzudenken", die von der SPD mit dem Bruch ihrer damaligen Wahlversprechen und mit dem Verrat an ihren Wählern im Interesse von Großverdienern und Konzernen kurzerhand umgesetzt hat.
Und nein: es ist nicht nur die Schere zwischen Vermögen und Nettoeinkommen, die da auseinandergeht. Bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Gewinnen der Unternehmen kommt nur ein geringer Teil bei den Normalverdienern an, während die Einkommen eines winzigen Bevölkerungsanteils in aberwitzige Höhen schießt ( Volkswagen: Wo Vorstände das 97-fache ihrer Mitarbeiter verdienen - SPIEGEL ONLINE ).
Das alles hat mit "Verschwörungstheorie" nix zu tun. Sondern damit, wessen Interessen von der (Wirtschafts-) Politik vertreten und umgesetzt werden. Hier hat sich die SPD spätestens seit Schröder deutlich positioniert und sie vermag es immer weniger, diese wirtschaftsfreundliche (Euphemismus!) Position hinter ihrem scheinbar sozialen Auftreten zu verbergen. Kein Wunder also, daß ihr die Wähler in Scharen davonlaufen, denn diese Positionen will die SPD auch um den Preis ihrer eigenen Marginalisierung nicht aufgeben.
Irgendwie ist das ja auch verständlich. Zum einen: Wer gibt schon gerne zu, daß er jahrzehntelang Scheiße gebaut hat? Und zum anderen: Die angerichteten Zerstörungen in der Sozial- und Daseinsfürsorge wieder zu heilen, kostet richtiges Geld - weitaus mehr, als durch deren Zerstörung "eingespart" werden konnte.