Ich bin natürlich um einiges älter als Ihr, aber für mich war es sehr wichtig, viel über diese Zeit zu erfahren. Unsere Eltern (womit ich jetzt nicht konkret MEINE Eltern meine, sondern die Elterngeneration) war ja direkt an all dem beteiligt, so oder so. Unsere Lehrer an der "Volksschule" und selbst noch auf dem Gymnasium waren fast alle irgendwie davon betroffen, sei es, dass sie selbst noch Nazis gewesen sind, sei es, dass es Kinder von Nazis waren. Meine erste Volksschullehrerin z.B. war noch in den 30er und 40er Jahren die Lehrerin meines Onkels gewesen, und sie war eine hardcore-Nazifrau! Ich habe sie 1959-61, als sie meine Lehrerin war, als sehr sympathisch empfunden, mein Onkel wusste da anderes zu berichten...
Für uns war es extrem wichtig, das ALLES zu erfahren, und das alles auch zum zwanzigsten Mal zu hören, denn die Elterngeneration neigte noch sehr stark dazu, alles zu verdrängen oder zu verharmlosen. So gab es z.B. weder in der Volksschule noch auf dem Gymnasium (ich ging bis 1972 aufs Gymnasium) einen Geschichtsunterrichts, der diese Zeit thematisierte! Der Geschichtsunterricht endete mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, spätestens mit dem Ende der Weimarer Republik. "Natürlich" war das Zufall, weil man einfach keine Zeit mehr hatte, das Schuljahr war halt um. Lächerlich! Für die Bismarckschen Sozialgesetze, die zwar wichtig waren, aber ganz gewiss nicht wichtiger als die Nazizeit, hatten wir fast 1 Jahr Zeit, sie bis zum Exzess durchzukauen. Dort hätte man kürzen können, um die gewonnene Zeit für eine Diskussion der NS-Zeit zu nutzen, aber wie gesagt: ZUFÄLLIG keine Zeit...
Da ich der Meinung bin, dass diese Gefahr immer noch da ist (siehe die Nazimorde der jüngsten Vergangenheit!), darf man das alles nicht vergessen. Wir sind noch nicht so weit. Sollen wir den Mantel des gnädigen "Vergebens und Vergessens" über unsere Geschichte auszubreiten??? Vergeben: ja! Denn wir selbst haben mit all dem nichts mehr zu tun, das war Sache unserer Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern, und denen können wir persönlich vergeben, aber die Geschichte kann nicht vergeben, nur dokumentieren. Also: persönliches Vergeben ja! Aber vergessen: Bitte nicht! Nur wenn uns unsere Geschichte im Bewusstsein bleibt, können wir (vielleicht) verhindern, dass sie sich wiederholt.
P.